2009/11/05

Sunn O))) - Maximum volume yields maximum results (Konzertbericht)

Während sich das alte Automobil die verschlungenen Serpentinen ins Remstal herabschlängelt nimmt die Dichte des trüben Nebels rundum zu. Es scheint ein geradezu gespenstisch prophetisches Signum zu sein, das einem hier den Weg zur Manufaktur nach Schorndorf weist, wo in Kürze das Sunn O))) Konzert stattfinden soll. Einfach immer dem Nebel nach.

Den Auftakt machen Eagle Twin. Gentry Densleys kraftvolle Stimme, die den Zuschauer hier nicht nur über Mikrofon, sondern auch über die Tonabnehmer seiner Gitarre erreicht, füllt den Raum mit tiefen, von Unheil und Untergang kündenden Schwingungen. Im Wechsel damit erfolgt der nicht minder gewaltige Gitarreneinsatz, in welchem Tyler Smith's brutal brachiales, aber nichtsdestotrotz präzises Schlagzeugspiel seinen Counterpart findet.
Während so Densley elektrische und mechanische Effekte zu einer wabernden Wand von Gitarrentönen erhebt, arbeitet sich Smith konsequent durch einen ganzen Stapel an Ersatzdrumsticks, die sich dennoch alle fragmentarisch im Freiflug gen Publikum begeben.
Alles in Allem eine sehr sehenswerte Performance, die Lust auf mehr macht. Dann kommt die recht lange Umbaupause und die Spannung beginnt zu steigen. Schließlich wird das Licht soweit als möglich gedimmt und die Nebelmaschinen angeworfen.
Man wartet.
Der Raum füllt sich mit Nebel.
Man wartet.
Die ersten Töne werden hörbar.
Man wartet gespannt.
Die Bühne ist kaum mehr zu sehen.
Man wartet.
Das mit pastoralem Gesang unterlegte Dröhnen wird als langer Loop erkannt.
Man wartet etwas ungeduldig.
Etwas bewegt sich durch die dichten Schwaden...
Nach über 30 Minuten beginnt das Schauspiel.

Stephen O'Malley und Greg Anderson betreten andächtig die Bühne in ihren langen, sie vollständig verhüllenden Roben. Der Loop im Hintergrund geht fließend in die ersten Drones aus den Instrumenten über. Jede Bewegung ist langsam und bedeutungschwanger.
Schließlich betreten nun auch Attila Csihar und Earth's Steve Moore die Bühne. Letzterer hält sich mit den Keyboards fast unsichtbar im Hintergrund, während Csihar dem Publikum am nächsten vor einem grünen Scheinwerfer am Boden der Bühne Position bezieht.
Hier ist offenbar die Grenze des legendär hohen Schalldrucks erreicht, denn eine der Sicherungen versagt ihren Dienst und legt damit praktisch die Hälfte aller Verstärker auf der Bühne lahm. Die Band lässt sich davon aber zum Glück keineswegs beirren, was sonst doch der Stimmung Abbruch getan hätte und dank kurzer Umbauarbeit kann das Publikum wenig später wieder in den Genuss der Magie versprühenden Sunn und Ampeg Geräte kommen.
Attila Csihars sonore Stimme und beschwörende Handbewegungen tragen die Gemeinde durch Monoliths & Dimensions, während er eine abenteuerliche Revers-Apotheose durchlebt:
Beginnend als Robenträger mit vom Spot grün angestrahlter Statur voll gebetartigen Gesanges, vollzieht er auf der Bühne eine erstaunliche Metamorphose, die ihn von einer grünen Schleimmaske bis hin zu einer Art ikonographisch überladenem Baumwesen voll gepeinigter Schreie verwandelt, als wäre er ein gescheiterter Magier dessen Hybris ihn letztendlich tragisch einholt.
So schließt das phantastische Konzert schließlich deutlich später als geplant im Ausklingen der letzten Drones und in der Dunkelheit des rauchverhangenen Saales.

Weitere Informationen zu den Bands:
Seit ihrer Genesis anno 1998 hat diese einmalige Formation um die Kernelemente SOMA (Stephen O'Malley) und THE LORD (Greg Anderson) die Musiklandschaft mit metallischem Einschlag nachhaltig um die Worte "experimentell" und "Drone" erweitert. Einerseits durch die Schaffung des Labels Southern Lord Records, das sich Heimat einer nachgerade illustren Gruppe von Musikern nennt, die sowohl hochgradig unkonventionelle Künstlerkonvolute wie Boris, als auch eher klassische Genrevertreter wie Wolves in the Throne Room umschließt. Andererseits durch die Gründung von Sunn O))), deren ursprüngliche Intention (Japanisch "Shoshin") es war, den Drone-Pionieren Earth um Dylan Carlson Tribut zu zollen.
Die Tatsache, dass sich hier die strahlende Sonne durch das Gravitationsfeld der Erde bewegt, reflektiert sich selbst in deren Identität, denn der Name zeugt von Earth's bevorzugtem Verstärkerhersteller Sunn.
Musikalisch jedoch schlägt diese Gruppe einen noch tieferen und unheilschwangeren Ton an als ihre Inspiratoren, der eine so düstere, wie sakrale Atmosphäre um jeden Schallplattenspieler erzeugt.
Waren Sunn O))) zu Beginn der Dekade ihrer Existenz während den Grimmrobe Demos nur ein corpus dualis, so erhöhte sich der Platzbedarf auf der Bühne - Fluktuationen unterworfen - kontinuierlich, wobei insbesondere die Addition von Attila Csihars sowohl vokaler, als auch visueller Präsenz die ohnehin beeindruckenden Auftritte der Band zum sakrosankten Gral der Drone Live Performances erhebt.
Eagle Twin entspringt ebenfalls diesem Dunstkreis. Das Œuvre mag sich bisher nur auf ihr Début in Form von The Unkindness of Crows beschränken, aber an Erfahrung im Métier fehlt es Gentry Densley und Tyler Smith keineswegs, war doch insbesondere ersterer jahrelang treibende Kraft hinter dem Kreativitätsbollwerk namens Iceburn (Collective). Der Sound ist schwer, kraftvoll und effektbeladen, was sie natürlich als Vorband zu Sunn O))) geradezu prädestiniert.

Weitere Bilder aus Schorndorf gibt es bei Flickriver.