2010/01/04

Quo vadis, Konsole? Teil 1: A Link to the Past (Handhelds, Polygone und Vernetzung)

Autor: Uwe

Gutes Produktmanagement und Marketing sind Vielen ein Buch mit 7 Siegeln in einem Heuhaufen irgendwo in einem böhmischen Dorf. Dereinst war das noch nicht wirklich nötig, als in den 1960er Jahren bei einer kleinen Elektronikfirma die erste Heimspielekonsole überhaupt erschien. Diese war nicht ganz ohne Tücken, konnte sich aber trotzdem blendend verkaufen, da es nun mal keine Konkurrenz gab. Auch ohne einen Doktortitel in Betriebswirtschaftslehre ist es einleuchtend, dass eine schnell steigende Nachfrage diesem Zustand entgegenwirken wird. Als die Odyssey² erschien, war man zu spät dran, hatte zu wenige Alleinstellungsmerkmale und vor Allem kaum 3rd-party Unterstützung. Es wurden insgesamt 2 Millionen Konsolen verkauft. Verglichen mit der Odyssey war das ein Zuwachs um 500%, aber die direkte Konkurrenz mit Ataris berühmter 2600 verkaufte sich 30 Millionen mal und "Atari" war synonym mit "Videospielkonsole" geworden.
Zumindest solange, bis die Abwesenheit von Produktmanagement durch Unwegbarkeiteiten des freien Marktes wie ein schlecht geworfener Bumerang zurückschlug und über mehrere Jahre hinweg den Durchbruch neuerer Systeme mit ausgefeilterer Technik und komplexeren Spielen verzögerte. Der epische Zweikampf Mario gegen Sonic, bzw. Nintendo gegen Sega war eingeläutet.


Nintendo hatte hier zumeist die Nase etwas vorne. Segas Master System konnte dank seines verspäteten Erscheinens relativ zur Konkurrenz und einer deutlich kleineren Spielepalette nicht mit Nintendos NES mithalten. Nintendo hatte aus dem Atari Debakel gelernt und hielt externe Entwicklerstudios durch Hardware und Lizenzen an einer sehr kurzen Leine, sodass die meisten beim Erscheinen des Master Systems bereits an Nintendo gebunden waren. In dieser 8-Bit Ära trägt Nintendo mit einem Marktanteil jenseits der 80% eindeutig den Sieg davon. Der Zweikampf der Nachfolger SNES und Mega Drive in der 16-Bit Ära ist allerdings von einem zähen Ringen geprägt, das Nintendo erst zum Ende dieser Generation trotz schwächerer Hardware aufgrund seiner mit dem NES erarbeiteten Reputation und 3rd-party Entwicklern für sich entscheiden konnte. Vom SNES konnten fast 50 Millionen Einheiten abgesetzt werden, während das Mega Drive nur 30 Millionen erreichte.
Der Erfolg in diesem Wettrennen war hauptsächlich darin gemessen, welches System am ehesten an die Leistung eines Spielhallenautomaten herankommen könnte, da viele Spiele aus selbigen Hallen ins Heim portiert wurden. Hier hatte das Mega Drive anfangs die besseren Chancen, da es einfach mehr Objekte flüssig darstellen konnte, bis spätere SNES Spielmodule dann Erweiterungschips beinhalteten, um dieses Defizit auszugleichen.
Neben all diesen konstanten Weiterentwicklungen gab es aber auch einige gänzlich neue Konzepte, die nach und nach aufkamen:

Die fortschreitende Miniaturisierung (Moore sei Dank) ermöglichte das Konzept einer tragbaren Konsole, welche man als "Handheld" - kurz für "handheld video game console" - bezeichnete. Historiker der digitalen Unterhaltungswelt mögen nun einwerfen, dass es selbst cartridge-basierte Handhelds schon deutlich früher gab, aber erst der 1989 erschienene Game Boy erreichte Leistungen und Absatzzahlen, die den großen Konsolen ähnlich waren. Die schnelle Nutzerakzeptanz erlangte man nicht zuletzt, weil man hier gezielt ein konkretes Spiel, das allseits beliebte Tetris, als Kaufargument bewarb. Neudeutsch spräche man von einer "Killer App".

Mia's AntiTetris für PSP.

Eine weitere Erfindung, die alles verändern sollte war die Compact Disc. Sega war hier eine der ersten Firmen, die sich dieses neuen Mediums annahmen, indem sie für das Mega Drive eine Erweiterung namens Mega-CD veröffentlichten. Allerdings sah man damals wohl erst einmal die Kosteneinsparung - eine CD zu pressen kostet einen Bruchteil dessen, was ein Modul mit Platine und Chips kostet - als entscheidendes Kriterium zum Umstieg. Die Vervielfachung des Speicherplatzes für hochauflösende Texturen oder ähnliche, das eigentlich Spiel aufwertende Kniffe, konnte man zu dieser Zeit noch nicht verwenden. So wurden meist zweitklassige Spiele um schlecht digitalisierte Videos herumkonstruiert.

Starfox. Bild via What's Sprouting?

Eine weitere große Neuerung war 3D/Polygon-Grafik im Heimbereich. Vor dem Erscheinen von Doom und Konsorten bewegten sich handanimierte Sprites in einem 2-dimensionalen Koordinatensystem mit Pseudo 3D-Effekten, wie Parallax scrolling,während man nun den ganzen Raum erforschen konnte, was insbesondere für das Simulationsgenre einen Quantensprung bedeutete. Nach einigen bahnbrechenden Spezialmodulen (Starfox für SNES, Virtua Racing für Mega Drive), setzte Sega hier schließlich mit einem 32X genannten Erweiterungssystem für das Mega Drive auf die Zukunft. Plötzlich war es möglich aus Polygonen gezeichnete Objekte bei vernünftigen Frame Rates darzustellen. Aber auch hier machten technische Schwierigkeiten und schlechtes Produktmanagement den Halbschritt in die Zukunft zum Schlag ins Kontor für Sega. Zu wenige Spiele, zu teuer, zu wenig klar kommuniziert und unmittelbar vor der Markteinführung der nächsten Generation von Konsolen.

Ein weiterer interessanter Punkt war, dass erstmals Konsolen erschienen, die sich nicht primär als reine Spielekonsolen verstanden, sondern als Multimediasystem an sich. Hier seien insbesondere das 3DO und das CD-i als Beispiele angeführt. Beide waren in der Lage Video- und Audio-CDs abzuspielen und erschienen in diversen Ausführungen, wie beispielsweise mit einem integriertem CD-Wechsler. Das CD-i verfügte allerdings nur über sehr wenige, im Allgemeinen sehr schlechte Spiele und krankte, genau wie das 3DO, an einem viel zu hohen Startpreis von 700 US Dollar und dem baldigen Erscheinen der nächsten, leistungsfähigeren, aber zugleich billigeren Konsolengeneration.

Satellaview. Bild via Wikipedia.

Das letzte große, geradezu extrem zukunftsweisende Feature ist Vernetzung. Das CD-i wurde in Kooperation mit CDMATICS schließlich zum TeleCD-i mit integriertem Modem. Es gab zwar vorher schon diverse sat- und kabelfernsehengebundene Dienste, die es erlaubten Spiele herunterzuladen (selbst für den Atari 2600!), aber dabei handelte es sich um unidirektionale Kommunikation ohne Rückkanal, während man über das TeleCD-i nun erstmals wirklich aktiv mit dem Netzwerk interagieren konnte. So war es zum Beispiel möglich über ein Portal sogar bei Neckermann einzukaufen.
Noch wegweisender war allerdings XBAND für SNES und Mega Drive. Dieser Dienst ermöglichte es erstmals, dass mehrere Leute an mehreren Konsolen über ein öffentliches Netzwerk miteinander dasselbe Spiel spielen konnten. Die Spieler loggten sich dafür über die in Spielemodulen untergebrachten Modems beim XBAND-Dienst ein, wo ein Matchmakingsystem Spieler suchte und verband. Selbst ein primitiver Email-Dienst und ein Rankingsystem waren enthalten. Da dies von nahezu keinem Spiel nativ unterstützt wurde, mussten die XBAND-Entwickler die Spiele per Reverse Engineering netzwerktauglich machen. Dies in Kombination mit den alten 2400 Baud Modems schränkte jedoch die Spielbarkeit oftmals stark ein.

XBAND-Module. Bild via Wikipedia.

Im ersten Teil dieser Serie haben wir nun hauptsächlich den ersten großen Hochpunkt der Konsolensysteme, die 16-Bit Ära, beleuchtet und festgestellt, dass ein Großteil aller wichtigen Features bereis damals zum Einsatz kamen. Als konstante Trends wurden Miniaturisierung, grafische Verbesserung und Speicherplatzvergrößerung anhand des Erscheinens von Game Boy, 3D-Grafik und der CD aufgezeigt.
Des Weiteren haben wir aber auch drei Trends identifiziert, die erst kürzlich im Mainstream angekommen sind. Die Wandlung von der reinen Spielekonsole zum Multimediagerät insbesondere in Form des CD-i, Netzwerkmultiplayer und soziale Netzwerke für Spieler anhand des XBAND Dienstes.
Darüber hinaus wurde gezeigt, dass schlechtes Marketing und Produktmanagement einen Marktführer wie Atari stürzen können und, dass clevere Lizenzpolitik und 3rd-party Entwickler sehr entscheidende Faktoren bei der Vermarktung von Konsolen sind.

Wer nun gewisse Anflüge von Nostalgie verspürt, dem sei plattformabhängig Folgendes geraten. Für viele der neueren Konsolen gibt es die alten Klassiker als Repackages oder emuliert als downloadable content via VCon, PSN oder XBLA. Wer keine Konsole sein eigen nennt, kann sich im Internet über Emulatoren schlau machen, fertige Emulationssysteme oder "Nachbauten" kaufen. Die Hardcore-Fans werden sich sicher freuen, dass man auch die Originalkonsolen bei diversen Auktionshäusern noch bekommen kann.