Autor: Daniel
Ein Mal im Jahr schafft die Stuttgarter Kinolandschaft es dann doch richtig cool zu werden und ein Festival voller Aufsehen erregender Neuentdeckungen zu veranstalten – den Stuttgarter Filmwinter. Zum 23. Mal findet das „Festival for Expanded Media“ nun statt, dieses Jahr im Metropol, nachdem das jahrelang als Spielstätte fungierende Filmhaus wegrationalisiert worden ist. Der Warm Up mit Ausstellungen läuft schon eine Woche, Filme gibt es aber erst seit gestern, dem 21., zu sehen. Ich persönlich spare mir den Wettbewerb meistens (zu disparat die Beiträge, zu dicht ihre Abfolge) und gönne mir das Rahmenprogramm. So fing mein persönlicher Filmwinter also erst um 22:00 Uhr an mit einem dänischen Sexfilm namens Gift.
Knud Leif Thomsen – Gift (1966)
Ein reiches dänisches Ehepaar mit attraktiver Tochter und dümmlicher Haushälterin genießt sein ruhiges Bürgerleben in einer Villa am Strand. In diese Idylle dringt Per ein, der mit seiner unkomplizierten Einstellung zur Sexualität die Moralvorstellungen der Familie auf den Kopf stellt und treffend deklariert, dass er die Zukunft darstelle. Natürlich verführt er die heranreifende Tochter und natürlich gerät er mit dem Vater des Mädchens aneinander – was auch durchaus sehr unterhaltsam ist – doch das meiste Aufsehen erregt der Film mit den kleinen Filmchen, die Per dreht.
Gift wurde vom Kurator der zweiteiligen Filmreihe über die Auflösung der Zensur in Dänemark ausgesucht, weil er mit seinen kurzen Einblendungen aus Hardcore-Filmen die Moralvorstellungen seiner Zeit genau so über den Haufen wirft, wie Per das tut. Paradoxer weise wollte Thomsen mit seinem Film den moralischen Verfall der Jugend, wie ihn Per repräsentiert, anprangern. Doch die dänischen Zensurbehörden hatten angeordnet, dass die Hardcore-Inserts mit weißen X überdeckt werden und haben so zuerst die Zensur sichtbar gemacht und schließlich ihre eigene Abschaffung heraufbeschworen.
Den Hardcore gab es in der vorgeführten Kopie dann also doch nicht zu sehen, aber wer Dänisch kann wird sich vielleicht darüber freuen, dass die DVD-Veröffentlichung tatsächlich unzensiert ist. Ein toller Einsteig in das Festival, und dann auch gleich so politisch.