Autor: Daniel
Nach dem Mittagessen hieß es „On to the next one“, und der zweite Filmwintertag (22.01.) fing an, wie der erste aufgehört hat: Sleazy und dänisch.
Annelise Meineche – Uden en Traevl (1968)
Als Ergänzung zu Gift hat Jack Stevenson Without a Stitch präsentiert, einen deutlich trashigeren und freizügigeren Ausflug in die Sexuelle Revolution Dänemarks. Hier diagnostiziert ein fragwürdiger Gynäkologe bei der 18-jährigen Lillian Prüderie und erklärt ihr auch gleich, wie sie geheilt werden kann. Zuerst muss er sie mehrmals die Woche befummeln und dann soll sie sich doch bitte auf eine sexuelle Erkundungsreise quer durch Europa begeben. Als sie schließlich wieder in der Praxis des Arztes ankommt dankt sie ihm für ihre Heilung, auch wenn ihr nicht jedes ihrer Abenteuer gefallen hat.
Eines davon erlebt sie in Deutschland mit einem Stuttgarter Geschäftsmann (zumindest fährt er ein Auto mit Stuttgarter Kennzeichen) der sie auf der Reeperbahn vor den aufdringlichen Männern rettet – nur um sie in seiner Villa auszupeitschen. Ja, so geht es in deutschen Schlafzimmern zu. Auch sonst lässt der Film jegliche filmischen Qualitäten, die Gift ausgezeichnet haben, vermissen und bietet stattdessen eine uninspiriert inszenierte Abfolge mehr oder weniger erotischer Szenen. Als Lillian gegen Ende des Films dann einem jungen Mann, der meint, ihr würde es nicht gefallen, mit ihm zu schlafen, erwidert „Es ist nicht wichtig, ob es mir gefällt, Hauptsache, du bist glücklich.“, fragt man sich, ob Thomsen nicht doch ganz richtig daran getan hat, den moralischen Verfall anzuprangern.
Le nouveau Western, Teil eins
Dieses Kurzfilmprogramm hat sich einiger Topoi des Westerngenres angenommen und gezeigt, wie diese umgedeutet und persifliert werden können.
Norbert Meissner – High Noon (1989-1994): Fred Zinnemanns Klassiker wird hier in Zeitraffer gezeigt, das Tempo wird nur für einige prägnante Sätze auf Normalgeschwindigkeit reduziert. Ideal für Filme, die man „gesehen haben muss“, für die aber wenig Zeit bleibt – sollte es also öfter geben.
Katja Straub – You’re not a Cowboy unless you got a Hat (2006): Eine liebenswerte Doku über einen Hutmacher in Texas und die Menschen die seine Hüte tragen. Eigentlich viel zu kurz; ich hätte gerne mehr über die Herstellung von Hüten und die Menschen die diese Hüte tragen gelernt.
Gerard Freixes – Alone (2008): Im Grunde genau das Gleiche wie Garfield minus Garfield, allerdings mit dem Lone Ranger minus Gegner und Gesprächspartner. Der arme könnte einem Leid tun, wenn es nicht so lustig wäre, ihm zuzusehen.
Mike Maryniuk & Matthew Rankin – Cattle Call (2008): Das Halsbrecherische Tempo, mit dem Vieh versteigert wird, wird hier durch einen Drumbeat und diverse Stop-Motion Animationen noch weiter erhöht. Ein ganz nettes Musikvideo ohne wirklich gute Musik.
Moustapha Alassane – Le Retour d’un Aventurier (1966): Jimmy kehrt mit einem Koffer voll Westernverkleidungen in sein nigerianisches Dorf zurück und versammelt seine Freunde als Revolverhelden um sich. Mit den Klamotten wird auch der Lifestyle des Wilden Westen importiert und so fangen die Jungspunde an, Vieh zu stehlen und sich in Bars zu prügeln bis, mit etwas Beihilfe der Dorfältesten, die Posse an den internen Streitereien zerbricht. Eine humorvolle und plumpe Form der Globalisierungskritik, sehr dilletantisch inszeniert und schäbig nachsynchronisiert, aber durchaus charmant.
Ann Steuernagel – Outlaw (2008): Found Footage reitender Cowboys, extrem verlangsamt und mit ein paar digitalen Filtern verfremdet.
Tor Fruergaard – It came from the West (2007): Der vierte mittelmäßige Beitrag in Folge, eine Art Braindead im Wilden Westen mit Marionetten.
Björn Kämmerer & Karoline Meiberger – Aim (2005): Ein Bandit bemerkt, dass ein Marshal von einer Anhöhe aus auf ihn zielt, dreht sich um, schießt – und bleibt in einem Loop stecken. Nach drei Minuten wird es dem Marshal zu blöd und er geht einfach weg. Wie schon Alone zeigt der Film gekonnt, dass das, was wir im Western für selbstverständlich halten im Grunde doch recht bescheuert ist.
Peter Tscherkassky – Instructions for a Light and Sound Machine (2005): Tscherkassky zerlegt zwei glorreiche Halunken. Insbesondere auf der 84m² Leinwand des Metropol 2 ein Fest.
Peter Care – Man on the Moon (1992): Michael Stipe läuft mit einem Cowboyhut auf dem Kopf durch die Wüste. Irgendwie entspannend nach dem Lärm den die Instruktionen für eine Licht- und Tonmaschine erzeugt haben.
Werkschau Ludwig Schönherr, Teil eins
Die Filme von Ludwig Schönherr sind bisher nur bei der Berlinale 2009 öffentlich aufgeführt worden, was natürlich neugierig macht. Die drei gezeigten Werke (Face I und II, Elektronik 9 und Das unbekannte Hamburg) haben einen Filmemacher präsentiert, der mit schnellen Schnitten und stroboskopartigen Bilderfolgen dem innersten Wesen des Films, dem Einzelbild, nachspürt. Das große Problem dieser Werkschau war aber, dass die auf Super 8 entstandenen Filme von DVD projiziert worden sind: erstens werden die Filme so ihres zweifelsohne wichtigen Bezugs zum Aufnahmemedium beraubt; zweitens war die Technik angesichts der schnellen Motivfolge heillos überfordert, sodass Kompressionsartefakte die Kunstwerke verfremdet haben. Dennoch wurde hier ein Filmemacher mit eigener, zugegeben sehr anstrengender, Bildsprache präsentiert, und die Entwicklung seines Schaffens über die Jahre deutlich gemacht.