2010/01/12

Klaus Lemke - Paul

Autor: Daniel

Die frühen Filme von Klaus Lemke sind auf DVD rar gesät – neben Rocker und Sylvie gibt es da nur noch Paul, eine Skrupellose Gangstertragödie, deren Held aus der Welt gefallen ist und in der die Reichen und die Wilden aneinander geraten.

Paul (Paul Lyss) kommt nach sieben Jahren aus dem Knast und sein Freund Jimmy verspricht ihm, dass alles wieder so wird, wie früher. Doch Paul will das Geld haben, das Jimmy ihm schuldet, also wird auf Paul ein Mordanschlag verübt. Paul flieht, irrt durch die Stadt und verschafft sich gewaltsam Zugang zu einer Party in der Villa des reichen Kunsthändlers Frank (Friedhelm Lehmann) an der Elbchaussee. Er feiert mit, betrinkt sich, macht Lärm, schläft ein, frühstückt und verschwindet wieder. Als er zurückkommt, will er von Franks Frau Jane (Sylvie Winter) zurück zum Knast gefahren werden, doch da will man ihn nicht haben, also bleibt doch wieder nur der Kiez, wo Jimmy ihm nach dem Leben trachtet.
Jane und ihr Mann beschließen deswegen, Paul wieder zurück zu holen. Nachdem Frank sich auf dem Kiez daneben benommen hat kommen die Zuhälter und Nutten vom Kiez mit in die Villa des Ehepaares wo gefeiert und gestritten wird, bis sich Paul und Jimmy Arm in Arm auf den nach Hause Weg machen. Doch Paul muss seine Rechnung noch begleichen.

Innovativ ist diese Erzählung nicht, die Filmgeschichte ist voll von Menschen die aus dem Gefängnis kommen und eine Rechnung zu begleichen haben. Was diesen Film allerdings auszeichnet und ihn sicherlich mit zum besten macht, was das deutsche Kino hervorgebracht hat, ist Klaus Lemkes extrem rohe, die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung verwischende Regie. Insbesondere während der zweiten Party in der Villa sind die Streitereien so heftig und die Handgreiflichkeiten so realistisch, dass man sich als Zuschauer nicht sicher ist, ob sich hier nicht tatsächlich alle betrunken und ihren Emotionen freien lauf gelassen haben. Aber schon zu Anfang, als Paul sich eigentlich mit zwei Prostituierten auf einem Zimmer vergnügen soll, die Zeit aber stattdessen dazu nutzt, aus den beiden herauszuquetschen, ob Jimmy ihn umbringen möchte, beginnen sich die Grenzen zu verwischen. Den beiden Frauen steht so viel Angst ins Gesicht geschrieben, dass sich irgendwann Mal tatsächlich die Frage stellt, ob das an-den-Haaren-ziehen und in-den-Schwitzkasten-nehmen nicht vielleicht doch echt ist. Den Höhepunkt dieser Verwischung erreicht dieser Film allerdings da, wo der von Friedhelm Lehmann gespielte Frank (übrigens ganz amerikanisch „Fränk“ ausgesprochen, so macht man das unter Cowboys) in den Fokus rückt. So blickt er fragend in die Kamera, wenn Paul ihn aus dem Schlaf reist, als wolle er fragen, ob denn jetzt tatsächlich wieder gedreht werde, oder er erklärt Paul, der ihn gerade mit Jimmy angesprochen hat, dass sei Name Friedhelm sei. Das nennt man wohl „aus der Rolle fallen“.

Auf der DVD selber ist leider deutlich weiniger los als im Film, denn Bonusmaterial ist keines zu finden. Dass ein Trailer fehlt ist schnell damit zu erklären, dass Paul für das ZDF und nicht für das Kino inszeniert worden ist, doch ein kurzes Interview mit dem Regisseur oder gar einem der Darsteller würde man sich schon wünschen.
Der Ton ist stellenweise verrauscht, doch ist die Sprachverständlichkeit durchgehend gut, während etwaige Mängel gar nicht erst auffallen können, da sowohl die Geräuschkulisse als auch die Musikuntermalung sehr spärlich sind – allein ein hohes, pulsierendes Störgeräusch, das wohl Pauls innere Aufgewühltheit verdeutlichen soll, bereichert die Tonspur. Das Bild wird im Format 4:3 präsentiert und krankt etwas an Edge Enhancement und einem manchmal zu steilen Kontrast. Zudem ist die Kompression auch recht stark, wodurch man das Bild letztenendes als unterdurchschnittlich bezeichnen muss.

Die 20 Euro, die man bei Hanseplatte für diesen tollen Film bezahlen muss, mögen angesichts der ernüchternden DVD etwas happig erscheinen, doch wenn man dafür einen der besten deutschen Filme sein eigen nennen kann, ist der Preis zu verschmerzen. Oder man hat Glück und findet die Scheibe auf einer Filmbörse für drei Euro.

Alle Standbilder entstammen der DVD von Hanseplatte.