Auf Surrender Dorothy bin ich vor einigen Jahren aufmerksam geworden, als im Rahmen einer der DCTP Sendungen ein Gespräch zwischen Alexander Kluge und dem Regisseur Kevin DiNovis ausgestrahlt worden ist. Die kontrastreichen, kargen Bilder und die im Grunde schockierende Geschichte eines Mannes, der einen anderen Mann zur - in seinen Augen - perfekten Frau formt, machten mich auf jeden Fall neugierig. Der Film spukte seitdem immer mal wieder in meinem Hinterkopf herum und als ich dann erfahren habe, dass er in Frankreich auf DVD erschienen ist, habe ich mich in gewisser Weise gefreut, ihn endlich sehen zu können.
Der Film dreht sich um Trevor, einen Tellerwäscher, Sadisten und Frauenhasser, bei dem der drogensüchtige Lanh Unterschlupf findet. Da Lanh es sich mit seinem Dealer verscherzt hat, ist er darauf angewiesen, von Trevor mit Heroin versorgt zu werden. Trevor hingegen nutzt Lanhs devote Persönlichkeit und Abhängigkeit dazu aus, ihn zu seiner ganz eigenen Hausfrau namens Dorothy zu formen. Lanhs gelegentliche Versuche des Widerstandes führen zwar wiederholt zu Streitereien, doch in diesen ist Lanh schnell der Unterlegene. Trevors Wahnvorstellung steigert sich schließlich so weit, dass er beschließt, Lanh auch physisch seinem Idealbild anzugleichen.
Was sich hier sehr grausam und erschreckend liest wird von DiNovis recht ruhig und mit viel Einfühlungsvermögen erzählt. Kernthema ist zudem, so DiNovis in einem Interview, auch nicht die Frage der Sexualität, sondern das Problem des häuslichen Missbrauchs. Beide Umstände machen den Film auf gänzlich andere Art schwer verdaulich, als man es aufgrund der Zusammenfassung erwarten würde. Der nüchterne Blick auf einen grausamen, gestörten Mann und sein williges Opfer lässt den Zuschauer intensiv Teil haben an einer in ihrer Grundstruktur alltäglichen Missbrauchssituation. Auch wenn der Film sicherlich an einigen inszenatorischen Schwächen leidet (und mich bei Weitem nicht so begeistern konnte wie Thomas Willmann) schafft er es mit diesem Fokus dennoch gewisse Mechanismen aufzuzeigen und häuslichen Missbrauch auf irritierend bizarre Art und Weise wenn nicht zu erklären, so doch zu thematisieren.
Das kontrastreiche und grobkörnige Schwarz-Weiß Bild ist auf der DVD lediglich mittelmäßig umgesetzt, neben gelegentlichen Kompressionsartefakten ist auch Ghosting aufgrund einer schlechten Normwandlung zu sehen. Der Stereoton ist gut ausgefallen, allerdings reden die Darsteller an manchen Stellen recht leise oder auch undeutlich, worunter die Sprachverständlichkeit etwas leidet. Untertitel sind nur in französischer Sprache vorhanden.
Darüber hinaus ist die Ausstattung der DVD durchaus solide. So ist zum einen ein Audiokommentar enthalten, in dem Regisseur Kevin DiNovis, Produzent Richard Goldberg und Darsteller Peter Pryor hauptsächlich die Entstehung einzelner Szenen erklären. Leider schweigen sie recht häufig, um die Szenen zu genießen, wobei man sich wünscht, dass zum Beispiel DiNovis näher auf seine Intentionen eingeht. Ein zweites, interessantes Extra ist der zehnminütige "Hinter den Kulissen" Clip, in dem Richard Goldberg die Entstehung einzelner Szenen kommentiert. Ein Trailer ist ebenfalls enthalten, das restliche Bonusmaterial (Texttafeln mit Informationen zu Regisseur und Darstellern und ein Statement des Produzenten) wird leider nur auf Französisch angeboten.
Anders als bei den bisherigen Rezensionen kann ich diesen Film nicht uneingeschränkt empfehlen. Nicht etwa, weil er für manche Zuschauer zu schockierend sein könnte – ich fand ihn überraschend zurückhaltend – sondern eher, weil er sein Thema nicht konsequent genug verfolgt und stellenweise zu bizarren Setpieces verkommen lässt. Wer sich aber für ungewöhnliche Auseinandersetzungen mit Geschlechterrollen begeistern kann, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.
Alle Standbilder entstammen der DVD von BQHL.