2010/03/02

Om - The Ziggurat Electron School

Om - Klang

Der Klang steht für den transzendenten Urklang, aus dessen Vibrationen nach hinduistischem Verständnis das gesamte Universum entstand. Es bezeichnet die höchste Gottesvorstellung, das formlose Brahman, die unpersönliche Weltseele. Diese umfasst das Reich der sichtbaren Erscheinungen und das Reich des Transzendenten.
Guitar and surroundingsDies sagt bereits Einiges über die Epik der Musik dieser kalifornischen Band aus. Om sind eigentlich nur zwei Musiker, schaffen es aber dennoch mit umfassenden Klangwelten das Publikum zu umweben. Passender kann ein Ausdruck auch für die beeindruckenden Arbeiten der Vorband kaum sein. Als selbige fungierte Lichens aka Robert Lowe, der normalerweise Teil der 90 Day Men ist. Erwerbbare Kopien seiner Werke sind leider auf nur zwei Alben begrenzt, The Psychic Nature of Being und Omns. Allerdings fehlt bei der digitalen Schallwiedergabe im heimlichen Wohnzimmer selbst bei der tontreuesten Anlage ein wichtiger Aspekt: Wer die Ehre hat, Robert Lowe beizuwohnen, wird Teil des kreativen Prozesses, des Entstehens seiner ätherischen Musik.
Alles beginnt sehr langsam und bedächtig. Der Künstler nimmt Platz auf einem Stuhl, der auf einer Art Gebetsteppich ruht. Konzentriert beginnt er seinen Stimmbändern ein überraschend authentisches Vogelzwitschern zu entlocken, das - einmal aufgenommen - den Weg in einen Loop findet, den Lowe anschließend durch die Gitarre, weitere Stimmakrobatik und eine Kaskade von Effektgeräten sukzessive zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk ausbaut. Lowes geradezu ekstatische Gestik scheint dem Zuschauer zu suggerieren, dass er nicht nur Ursprung der Musik, sondern selbst auch Teil eines größeren Flusses ist. Die Summe der sanften Schwebungen klingt schließlich wie man sich clichéhaft den auditorischen Eindruck des Betretens des Garten Edens vorstellt.

LichensNach kurzer Umbaupause, primär des Teppichfaltens wegen, ist es dann soweit: Al Cisneros und Emil Amos bauen sich hinter Bass, respektive Schlagzeug auf und beginnen ihren markanten Sound zu entfalten. Anfangs arbeitet man sich langsam durch eine rein instrumentale Passage zu Al Cisneros mantra-haftem Gesang vor, der eher eine Art rhythmische Erweiterung zu seinem kraftstrotzdenden Bassspiel darstellt.
Die Texte sind hoch kryptisch und vermengen diverse mythologische Motive mit Neologismen in obskurer Sprache, was dem Hörer das Gefühl vermittelt, Teil einer dem Arkanprinzip unterliegenden Religion zu sein, aber andererseits auch den instrumentellen Charakter der Sprache unterstreicht.

OmBetrachten wir eine Textpassge aus dem ebenfalls im Schocken aufgeführten "At Giza", mit welcher die verkürzte Version auf der MySpace-Seite der Band beginnt:
Electron sea / now set free / takes into the sky above on sentinel stream.
And grant to me / a light to see / and pilgrimage to mountain of the votaric form.
And lighten upon day / the solarics raise / falls upon the ziggurat electron school.
And reap upon field / the host moon fade away / glides the aeronaut toward the object form.

And lighten upon day / as scintillate rays / augurate arrival of a seraphic form.
From Lebanon reels / the obelisk seen / called now inverse upon the currenter-sign.
The matter form wanes / the host moon fades / takes into the sky ascends the freedomward dove.
The rite of fall sealed / descendant orb hails her / down to the ground of electron form.
Eine deutliche äußere Struktur ist offenkundig: Zwei Strophen aus Vierzeilern, die wiederum in 3 Teile getrennt sind, wovon immer die letzte Silbe betont ist. Allerdings bilden die zweiten Verse der letzten Zeilen innerhalb einer Strophe wiederum eine Ausnahme, da hier jeweils das vorletzte Wort kurz betont wird.
In der Gleichförmigkeit des Flusses gehen diese Feinheiten aber sehr schnell unter. Selbst die Verortung innerhalb eines Liedes kann einem unkonzentrierten Hörer manchmal aufgrund der vielen transponierten Wiederholungen von Wortgruppen schwerfallen.
Zweierlei wird daraus jedenfalls recht schnell deutlich: Bei Om dreht sich alles um Struktur und man muss eine gewisse Konzentration aufbieten, um Gewinn aus der filigranen Komplexität zu ziehen.

Schließlich greift auch Robert Lowe selbst mit dem vielleicht gewalttätigsten Tamburinspiel aller Zeiten ins Geschehen ein und unterstützt Om weiterhin am Keyboard. Insgesamt eine sehr beeindruckende Performance, deren Präsenz schwer in Worte zu fassen ist.

AlDass diese Band etwas ganz eigenes ist, ist eigentlich schon recht deutlich an ihren Mitgliedern erkennbar: Al Cisneros ist nebenberuflich Schachlehrer, weshalb dann auch ein Om-Motiv aus einer Schacheröffnung besteht. Er verdiente seine musikalische Meriten mit der Stoner/Doom Band Sleep, bevor er nach deren Auflösung Om gründete. Als Chris Hakius dann 2008 die Band verließ, glaubten viele Fans an das Ende von Om, da nun die Hälfte der Band selbige verlassen hatte, was ausgerechnet nach einem beeindruckenden Höhepunkt, dem legendären 5-stündigen Konzert in Jerusalem, geschehen war. Glücklicherweise sprang relativ zeitnah Emil Amos ein, der wiederum selbst mit Grails und seinem Soloprojekt Holy Sons musikalische Erfahrung sammeln konnte und damit Om wieder zur alten Stärke zurückführte. Auf dem letzten Album "God is good" klingt Amos dann auch, wie es sich für Om gehört, auch wenn nicht jeder mit der minimalen Erweiterung der Instrumentierung zufrieden war. Auf jeden Fall ist Om nach wie vor eine Band, der etwas Aufmerksamkeit zu schenken durchaus lohnenswert sein kann.

(Den besseren, extrem verspäteten Konzertbericht gibt es bei uns, die besseren Bilder allerdings im gig-blog.)